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Tony Fry

Defuturing: A New Design Philosophy

Tony Fry entwickelt mit „Defuturing“ eine fundamentale Kritik am gegenwärtigen Designverständnis. Er zeigt, wie Design nicht nur Produkte hervorbringt, sondern aktiv Zukunft vernichtet – und formuliert eine radikale Neuausrichtung des Designs als verantwortungsethische, planetare Praxis.

Tony Fry konzipiert „Defuturing“ als zentrale Diagnose für die Gegenwart: Design, wie es heute verstanden und betrieben wird, zerstört Zukunft. Nicht im symbolischen Sinne, sondern konkret – durch ökologisch destruktive Produktionsketten, durch kurzlebige Konsumkulturen und durch ein Denken, das Innovation mit technologischem Fortschritt verwechselt. Das Buch ist eine Streitschrift gegen ein Design, das sich als neutral oder lösungsorientiert versteht, dabei aber strukturell in destruktive Systeme eingebunden ist.

Fry argumentiert, dass wir in einer Ära des „sustainment failure“ leben. Nachhaltigkeit sei ein leeres Versprechen geblieben, weil es die systemischen Ursachen der Krise nicht adressiert. Design sei dabei nicht Teil der Lösung, sondern oft Teil des Problems – ein Komplize kapitalistischer Expansion, Ressourcenausbeutung und kultureller Homogenisierung. Er nennt dies „defuturing“: die systematische Vernichtung möglicher Zukünfte durch gegenwärtige Gestaltungsentscheidungen.

Ein zentraler Begriff ist die „ontologische Gestaltung“ – Design als Macht zur Formung von Welt und Sein. Fry verlangt, dass Designer:innen nicht länger nur als ästhetische Problemlöser agieren, sondern sich als politische, ethische Akteure verstehen, die mit jeder Gestaltung auch Bedingungen für Leben oder Zerstörung schaffen. Diese Forderung basiert auf einer philosophisch tief verankerten Kritik an westlichem Denken – insbesondere am Fortschrittsbegriff, am Konzept der Autonomie, und an der Trennung von Mensch und Umwelt.

Das Buch ist nicht als Anleitung oder Methodensammlung gedacht, sondern als provokative Intervention. Fry arbeitet mit philosophischen, kulturtheoretischen und politischen Bezügen (u.a. Heidegger, Derrida, Latour), um zu zeigen, dass Design nicht nur die Form, sondern die Struktur unserer Welt beeinflusst. Ein Beispiel ist seine Kritik am digitalen Design, das nicht nur Schnittstellen oder Geräte formt, sondern Denkweisen – etwa durch datengetriebene Subjektivierung oder algorithmische Kontrolle. Ein anderes Beispiel sind gebaute Infrastrukturen, die jahrzehntelang ökologische Pfade vorzeichnen und damit „Zukunft schließen“, anstatt sie zu öffnen.

Er plädiert für ein „redirective practice“ – eine Praxis des Umlenkens, die auf radikale Reflexion, auf Care, auf Suffizienz und auf langfristige Wirkungen zielt. Designer:innen müssten lernen, „Futurität“ als entwerfbare, gefährdete Ressource zu begreifen – und dementsprechend Verantwortung für das Unsichtbare, das Noch-Nicht und das Nicht-Menschliche übernehmen.

Fry entwirft mit „Defuturing“ ein philosophisch wie politisch aufgeladenes Gegenmodell zur marktgetriebenen Innovationskultur. Design wird zu einer Weltpraktik, deren Maßstab nicht Erfolg, sondern das Überleben kommender Generationen ist. Ein Buch, das sich weigert, einfache Lösungen anzubieten – und gerade deshalb als radikaler Weckruf gelesen werden kann.


QUELLE / ISBN - 978-1350089532

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