Range: Why Generalists Triumph in a Specialized World
David Epstein argumentiert in Range, dass Generalisten – Menschen mit breiter, vielfältiger Erfahrung – in vielen komplexen, dynamischen Bereichen erfolgreicher sind als Spezialisten. Er stützt seine These auf zahlreiche Fallstudien und Forschungsergebnisse aus Psychologie, Bildung, Wissenschaft und Sport, die zeigen, dass flexible Denkweisen, interdisziplinäres Wissen und langsameres Lernen langfristig zu besseren Problemlösungen führen.
David Epstein beginnt Range mit einer Kontrastierung zwischen Tiger Woods und Roger Federer. Während Woods ein klassisches Beispiel für frühe Spezialisierung ist, demonstriert Federer das Gegenteil: Er probierte viele Sportarten aus, bevor er sich für Tennis entschied. Epstein nutzt diese Gegenüberstellung, um seine Kernthese einzuführen: In vielen Bereichen des Lebens sind generalistische Werdegänge vorteilhafter als lineare, spezialisierte Karrieren.
Ein zentrales Konzept des Buches ist der Unterschied zwischen "kind" und "wicked" learning environments. In "kind environments" – wie Schach oder Golf – führen Wiederholung und schnelles Feedback zu Expertise. In "wicked environments" – etwa in der Wirtschaft, Forschung oder im Design – sind die Regeln unklar, Feedback ist verzögert oder unvollständig, und kreative Problemlösungen sind gefragt. Hier, so Epstein, haben Generalisten mit breiter Erfahrung die besseren Karten, weil sie auf vielfältige Strategien zurückgreifen können.
Epstein illustriert dies mit zahlreichen Beispielen: Der Erfinder des Game Boys war ein Hausmeister bei Nintendo mit vielseitigem technischen Wissen. Die bekanntesten Innovatoren der NASA hatten interdisziplinäre Karrieren. Wissenschaftler, die sich mit benachbarten oder fremden Fachgebieten auseinandersetzen, produzieren nachweislich kreativere Arbeiten. Selbst Nobelpreisträger sind überproportional oft in Kunst, Musik oder Geisteswissenschaften aktiv gewesen – scheinbar abseits ihrer Fachdisziplin.
Er kritisiert das gängige Paradigma der Spezialisierung, das insbesondere in westlichen Bildungssystemen früh beginnt. Stattdessen plädiert er für sogenannte "sampling periods": Phasen, in denen Menschen verschiedene Interessen erkunden, bevor sie sich auf ein Feld festlegen. Diese Zeit des Ausprobierens fördert nicht nur persönliche Passung, sondern auch die Fähigkeit, Wissen flexibel zu übertragen.
Ein weiteres Beispiel: In der Analyse des "Premature Optimization"-Problems in der Softwareentwicklung zeigt Epstein, dass Entwickler*innen, die sich zuerst in mehreren Programmiersprachen und Paradigmen ausprobieren, langfristig robuster und kreativer arbeiten. Ähnlich verhält es sich in der Wirtschaft: Firmen, die auf diverse Teams setzen, die aus unterschiedlichen Fachrichtungen bestehen, entwickeln resilientere Strategien.
Besonders pointiert wird Epstein, wenn er beschreibt, wie Generalisten oft besser darin sind, Analogien zu erkennen – ein kognitives Werkzeug, das entscheidend für Innovation ist. Diese Fähigkeit, Muster zwischen scheinbar unzusammenhängenden Feldern zu erkennen, erlaubt es ihnen, unkonventionelle Lösungsansätze zu entwickeln.
Das Buch ist keine bloße Lobpreisung von Vielseitigkeit, sondern eine fundierte Kritik an einer Gesellschaft, die lineare Karrieren, frühe Spezialisierung und "Effizienz" über langfristiges Lernen und Neugier stellt. Epstein fordert Bildungssysteme und Organisationen auf, mehr Raum für Erkundung, Fehler und Breite zuzulassen.
Range liefert damit ein starkes Argument für interdisziplinäre Arbeit, lebenslanges Lernen und eine offenere Definition von Erfolg – besonders in einer zunehmend komplexen Welt, in der lineare Expertise allein nicht mehr genügt.
QUELLE / ISBN - 978-0735214484
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