The Cybernetic Brain: Sketches of Another Future
Einleitung: Eine alternative Geschichte der Kybernetik In „The Cybernetic Brain: Sketches of Another Future“ erforscht Andrew Pickering die Geschichte der Kybernetik und zeigt, wie diese oft übersehene Disziplin eine radikal andere Zukunft hätte entwerfen können. Pickering argumentiert, dass die Kybernetik nicht nur eine technologische oder wissenschaftliche Bewegung war, sondern auch eine philosophische und kulturelle, die das Potenzial hatte, unsere Beziehung zur Welt grundlegend zu verändern. Das Buch ist eine Reise durch die Ideen und Experimente der Kybernetiker:innen , die eine Welt jenseits von Kontrolle und Herrschaft imaginierten – eine Welt, die von Anpassung, Flexibilität und Koexistenz geprägt ist.
Die Kybernetik als radikale Wissenschaft Pickering beschreibt die Kybernetik als eine Wissenschaft, die sich von den traditionellen Vorstellungen von Kontrolle und Vorhersage abwendet. Stattdessen betont sie die Idee der Rückkopplung (Feedback) und der Anpassung an komplexe, dynamische Systeme. Die Kybernetiker:innen , die Pickering porträtiert – darunter Pioniere wie Norbert Wiener, Ross Ashby, Stafford Beer und Gregory Bateson – sahen die Welt nicht als etwas, das beherrscht und kontrolliert werden sollte, sondern als ein Netzwerk von interagierenden Systemen, die sich ständig verändern und anpassen.
Ein zentrales Beispiel ist das Konzept der Homöostase, das von Kybernetiker:innen wie Ross Ashby entwickelt wurde. Homöostase beschreibt die Fähigkeit eines Systems, sich selbst zu regulieren und ein Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, ohne dass eine externe Kontrolle erforderlich ist. Pickering zeigt, wie diese Idee nicht nur auf biologische Systeme, sondern auch auf soziale und technologische Systeme angewendet wurde.
Kybernetik und Gesellschaft: Eine andere Zukunft Pickering argumentiert, dass die Kybernetik das Potenzial hatte, eine radikal andere Zukunft zu entwerfen – eine Zukunft, die nicht von Hierarchien und Kontrolle, sondern von Anpassung und Koexistenz geprägt ist. Er beschreibt, wie Kybernetiker:innen wie Stafford Beer versuchten, kybernetische Prinzipien auf die Gestaltung von Organisationen und Gesellschaften anzuwenden.
Ein bekanntes Beispiel ist Beers Projekt „Cybersyn“ in Chile in den 1970er Jahren. Beer entwickelte ein kybernetisches System, das die chilenische Wirtschaft in Echtzeit überwachen und steuern sollte. Das Projekt war ein Versuch, eine dezentralisierte, adaptive Form der Wirtschaftsplanung zu schaffen, die auf Rückkopplung und Selbstregulierung basierte. Obwohl das Projekt letztlich scheiterte, zeigt Pickering, dass es eine Vision einer anderen Art von Gesellschaft enthielt – eine, die auf Kooperation und Anpassung statt auf Kontrolle und Hierarchie basierte.
Kybernetik und Ökologie: Eine neue Beziehung zur Natur Ein weiterer Schwerpunkt des Buches ist die Verbindung zwischen Kybernetik und Ökologie. Pickering zeigt, wie Kybernetiker:innen wie Gregory Bateson eine neue Beziehung zur Natur entwickelten, die auf Respekt und Koexistenz basierte. Bateson argumentierte, dass wir die Natur nicht als etwas betrachten sollten, das wir beherrschen und kontrollieren können, sondern als ein komplexes System, mit dem wir interagieren und das wir verstehen müssen.
Pickering beschreibt, wie Batesons Ideen die Grundlage für eine ökologische Kybernetik bildeten, die die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur betont. Diese Perspektive steht im Gegensatz zu den traditionellen Vorstellungen von Umweltmanagement, die oft auf Kontrolle und Ausbeutung basieren. Stattdessen plädiert Bateson für eine Haltung der Demut und des Lernens, die die Komplexität und Unvorhersehbarkeit der Natur anerkennt.
Kybernetik und Kunst: Experimente mit neuen Formen Pickering zeigt auch, wie die Kybernetik die Kunst und Kultur beeinflusst hat. Er beschreibt, wie Künstler:innen wie Gordon Pask und Roy Ascott kybernetische Prinzipien nutzten, um neue Formen der Interaktion und Partizipation zu schaffen. Diese Künstler:innen sahen die Kybernetik nicht nur als eine wissenschaftliche Disziplin, sondern auch als eine Möglichkeit, neue ästhetische und soziale Erfahrungen zu schaffen.
Ein Beispiel ist Pasks „Colloquy of Mobiles“, eine interaktive Installation, die auf kybernetischen Prinzipien basierte. Die Installation bestand aus beweglichen Objekten, die auf die Interaktionen der Besucher:innen reagierten und sich ständig veränderten. Pickering argumentiert, dass solche Experimente eine Vision einer Welt enthielten, die von Flexibilität und Anpassung geprägt ist – eine Welt, die jenseits von festen Strukturen und Hierarchien liegt.
Das Scheitern der Kybernetik: Warum eine andere Zukunft nicht verwirklicht wurde Trotz ihres radikalen Potenzials konnte sich die Kybernetik nicht als dominante wissenschaftliche oder kulturelle Bewegung durchsetzen. Pickering analysiert die Gründe für dieses Scheitern und zeigt, wie die Kybernetik von anderen wissenschaftlichen Paradigmen – wie der Informatik und der kognitiven Psychologie – verdrängt wurde. Diese Disziplinen betonten die Idee der Kontrolle und Vorhersage, während die Kybernetik die Idee der Anpassung und Koexistenz in den Vordergrund stellte.
Pickering argumentiert, dass die Kybernetik auch an ihren eigenen inneren Widersprüchen und Grenzen scheiterte. Viele der kybernetischen Experimente waren utopisch und schwer in die Praxis umzusetzen. Dennoch sieht Pickering in der Kybernetik eine wichtige Quelle der Inspiration für die Gestaltung einer anderen Zukunft.
Fazit: Die Kybernetik als Inspiration für die Zukunft Pickering schließt das Buch mit dem Argument, dass die Kybernetik uns wichtige Lehren für die Gestaltung der Zukunft bietet. Sie zeigt, dass wir die Welt nicht als etwas betrachten sollten, das wir beherrschen und kontrollieren können, sondern als ein komplexes System, mit dem wir interagieren und das wir verstehen müssen. Die Kybernetik bietet eine Vision einer Welt, die von Anpassung, Flexibilität und Koexistenz geprägt ist – eine Welt, die jenseits von Hierarchien und Kontrolle liegt.
Pickering ruft dazu auf, die Ideen der Kybernetik neu zu entdecken und sie als Inspiration für die Gestaltung einer anderen Zukunft zu nutzen. Er betont, dass wir uns von den traditionellen Vorstellungen von Kontrolle und Herrschaft lösen und stattdessen neue Formen des Denkens und Handelns entwickeln müssen, die die Komplexität und Unvorhersehbarkeit der Welt anerkennen.
QUELLE / ISBN - 9780226667904
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