Smarte grüne Welt?
Einleitung: Die Ambivalenz der Digitalisierung In „Smarte grüne Welt?“ untersuchen Tilman Santarius und Steffen Lange die komplexe Beziehung zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die Autor:innen fragen, ob die Digitalisierung tatsächlich zu einer „smarten grünen Welt“ führen kann, in der Technologie dazu beiträgt, Umweltprobleme zu lösen und Ressourcen effizienter zu nutzen – oder ob sie eher zu mehr Überwachung, Konsum und Umweltbelastung führt. Das Buch bietet eine kritische Analyse der Chancen und Risiken der Digitalisierung und plädiert für einen nachhaltigen und gerechten Umgang mit digitalen Technologien. Die Versprechen der Digitalisierung: Effizienz und Nachhaltigkeit
Santarius und Lange beginnen mit einer Untersuchung der Versprechen, die mit der Digitalisierung verbunden sind. Sie beschreiben, wie digitale Technologien wie das Internet der Dinge (IoT), Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen können, Ressourcen effizienter zu nutzen und Umweltprobleme zu lösen. Beispiele hierfür sind intelligente Stromnetze, die den Energieverbrauch optimieren, oder digitale Plattformen, die die Sharing Economy fördern und so den Konsum reduzieren.
Die Autor:innen zeigen jedoch, dass diese Versprechen oft mit einem „Rebound-Effekt“ verbunden sind: Wenn Technologien effizienter werden, führt dies oft zu einem erhöhten Konsum, der die Einsparungen wieder zunichtemacht. Ein Beispiel ist die Einführung von energieeffizienten Geräten, die oft dazu führt, dass Menschen mehr Geräte kaufen oder sie häufiger nutzen, was den Gesamtenergieverbrauch erhöht.
Die Schattenseiten der Digitalisierung: Überwachung und Konsum Ein zentrales Thema des Buches ist die Kritik an den Schattenseiten der Digitalisierung. Santarius und Lange zeigen, wie digitale Technologien oft dazu genutzt werden, Überwachung und Kontrolle zu verstärken. Sie beschreiben, wie Unternehmen und Regierungen Daten sammeln und analysieren, um das Verhalten von Menschen zu beeinflussen – sei es durch personalisierte Werbung, soziale Scoring-Systeme oder staatliche Überwachung.
Die Autor:innen argumentieren, dass diese Form der Überwachung nicht nur die Privatsphäre bedroht, sondern auch zu einem erhöhten Konsum führt. Digitale Plattformen wie soziale Medien und Online-Shops sind darauf ausgelegt, Menschen dazu zu bringen, mehr zu konsumieren – oft auf Kosten der Umwelt. Santarius und Lange zeigen, dass die Digitalisierung nicht automatisch zu einer nachhaltigeren Welt führt, sondern oft das Gegenteil bewirkt.
Die ökologischen Kosten der Digitalisierung Ein weiterer Schwerpunkt des Buches ist die Analyse der ökologischen Kosten der Digitalisierung. Santarius und Lange zeigen, dass digitale Technologien selbst erhebliche Umweltauswirkungen haben – von der Herstellung von Geräten über den Energieverbrauch von Rechenzentren bis hin zum Elektroschrott. Sie beschreiben, wie die Produktion von Smartphones, Computern und anderen Geräten oft mit der Ausbeutung von Ressourcen und Arbeitskräften verbunden ist.
Die Autor:innen zeigen auch, dass der Energieverbrauch der digitalen Infrastruktur – insbesondere von Rechenzentren und Blockchain-Technologien – erheblich ist und weiter wächst. Sie argumentieren, dass die Digitalisierung nur dann nachhaltig sein kann, wenn diese ökologischen Kosten berücksichtigt und reduziert werden.
Politische und wirtschaftliche Machtstrukturen Santarius und Lange beschäftigen sich auch mit den politischen und wirtschaftlichen Machtstrukturen, die die Digitalisierung prägen. Sie zeigen, wie große Tech-Konzerne wie Google, Amazon und Facebook eine dominante Stellung in der digitalen Wirtschaft einnehmen und oft ihre Macht missbrauchen, um Wettbewerb zu verhindern und ihre Profite zu maximieren.
Die Autor:innen argumentieren, dass diese Machtkonzentration nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ökologische und soziale Folgen hat. Sie zeigen, wie die Geschäftsmodelle dieser Konzerne oft auf der Ausbeutung von Daten und Ressourcen basieren und zu einer weiteren Kommerzialisierung des Alltagslebens führen. Santarius und Lange plädieren für eine Regulierung der digitalen Wirtschaft, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und die Macht der Tech-Giganten zu begrenzen.
Wege zu einer smarten grünen Welt Trotz ihrer kritischen Analyse sehen Santarius und Lange auch Potenziale für eine nachhaltige Digitalisierung. Sie beschreiben, wie digitale Technologien genutzt werden können, um Umweltprobleme zu lösen und eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Dazu gehören beispielsweise dezentrale Energiesysteme, die auf erneuerbaren Energien basieren, oder digitale Plattformen, die nachhaltigen Konsum und Sharing-Modelle fördern.
Die Autor:innen betonen jedoch, dass dies nur möglich ist, wenn die Digitalisierung in einen größeren politischen und gesellschaftlichen Rahmen eingebettet wird. Sie plädieren für eine „digitale Suffizienz“, die darauf abzielt, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern, ohne auf Wachstum und Konsum angewiesen zu sein. Dazu gehören Maßnahmen wie die Förderung von Reparatur und Wiederverwendung, die Einführung von Kreislaufwirtschaftsmodellen und die Stärkung von Gemeingütern (Commons).
Fazit: Eine nachhaltige und gerechte Digitalisierung Santarius und Lange schließen das Buch mit dem Appell, die Digitalisierung nicht als Selbstzweck zu betrachten, sondern als Werkzeug, das wir nutzen können, um eine nachhaltige und gerechte Welt zu schaffen. Sie betonen, dass dies eine kritische Auseinandersetzung mit den ökologischen, sozialen und politischen Auswirkungen der Digitalisierung erfordert – und dass wir uns aktiv für eine Digitalisierung einsetzen müssen, die dem Gemeinwohl dient.
Die Autor:innen plädieren für eine „smarte grüne Welt“, in der digitale Technologien dazu beitragen, Umweltprobleme zu lösen und die Lebensqualität zu verbessern – ohne dabei die Grenzen des Planeten zu überschreiten oder soziale Ungleichheiten zu verstärken. Sie zeigen, dass dies möglich ist, wenn wir die Digitalisierung in einen größeren Rahmen von Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit einbetten und uns aktiv für eine gerechte Gestaltung der digitalen Zukunft einsetzen.
QUELLE / ISBN - 9783962380205
--> Deutsche Nationalbibliothek--> WorldCat
--> Open Libary