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Jonah Lehrer

Imagine: How Creativity Works

Jonah Lehrers Buch untersucht, wie Kreativität im Gehirn funktioniert, was sie auslöst und wie sie durch bestimmte Bedingungen gefördert werden kann. Anhand populärer Fallstudien zeigt er, dass kreative Prozesse oft paradox und emotional geprägt sind – sie entstehen sowohl aus Disziplin als auch aus Ablenkung, aus harter Arbeit wie auch aus spontanen Momenten der Intuition.

In Imagine: How Creativity Works führt Jonah Lehrer Leser:innen durch die neurobiologischen, psychologischen und gesellschaftlichen Aspekte kreativen Denkens. Er verbindet wissenschaftliche Studien mit Geschichten über Künstler:innen, Erfinder:innen, Unternehmer:innen und Wissenschaftler:innen, um den vielschichtigen Charakter kreativer Prozesse zu entschlüsseln.

Zentral ist die These, dass Kreativität nicht nur Genialität oder göttliche Inspiration ist, sondern eine Funktion unseres Gehirns, die unter bestimmten Bedingungen besonders gut funktioniert. Lehrer beschreibt zwei unterschiedliche Denkmodi, die für kreative Arbeit wesentlich sind: konvergentes Denken, das auf analytische Problemlösung abzielt, und divergentes Denken, das assoziativ, spielerisch und intuitiv arbeitet. Beide Modi müssen im kreativen Prozess zusammenspielen, wobei spontane Einsicht und beharrliches Durchhalten gleichermaßen wichtig sind.

Ein bekanntes Beispiel ist Bob Dylans „Like a Rolling Stone“, das laut Lehrer in einem Moment plötzlicher Klarheit entstand, nachdem Dylan sich eigentlich zurückziehen wollte. Diese Art von „Aha-Moment“, so Lehrer, tritt oft dann auf, wenn das Gehirn kurz abschaltet – etwa beim Duschen oder Spazierengehen – und zuvor gesammelte Informationen plötzlich in neuer Form zusammenfinden.

Lehrer analysiert auch die Rolle von Fehlern, Frustration und Scheitern im kreativen Prozess. Er verweist auf Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Menschen kreativer werden, wenn sie bewusst aus ihrer Routine herausgerissen werden oder wenn sie gezwungen sind, in anderen Kategorien zu denken. Beispielsweise nennt er die Entwicklung von Post-it-Notes bei 3M, die aus einem vermeintlich gescheiterten Klebstoff entstand, als Beweis für die Kraft zufälliger Entdeckungen.

Das Buch betont die Bedeutung sozialer Kontexte für Kreativität. So beschreibt Lehrer den kreativen Schub in New Yorks Silicon Alley oder die besondere Architektur des Pixar Studios, das bewusst Räume für informellen Austausch geschaffen hat. Je heterogener und offener Gruppen sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass innovative Ideen entstehen.

Kritisch reflektiert Lehrer auch die Rolle der Schule und moderner Arbeitsumgebungen, die oft auf Konformität und Standardisierung setzen – Strukturen, die kreative Prozesse eher hemmen als fördern. Kreativität, so argumentiert er, ist kein Luxus, sondern eine essentielle Fähigkeit, die erlernt, kultiviert und strukturell unterstützt werden muss.

Das Buch endet mit der Überlegung, dass Kreativität keine exklusive Gabe ist, sondern ein universelles menschliches Potenzial. Lehrer plädiert für eine Gesellschaft, die mehr Freiräume für freies Denken, unproduktive Zeit und interdisziplinäre Begegnungen schafft – denn genau dort gedeiht das, was unsere Welt neu gestaltet: Vorstellungskraft.